„Grundsolide Technik. Mutige Kreativität“. So wirbt SAP Fioneer auf ihrer Homepage. Doch 21 Monate nach der Abspaltung von SAP ist der Ärger der zwangsweise betroffenen Kunden teilweise sehr groß.

Ende 2019 beschließt der SAP Vorstand ein Projekt, um Produkte, IP-Rechte und Technologie für Finanzdienstleister aus dem Konzern herauslösen. Erhofft hat er mehr Unabhängigkeit und Dynamik, ein „Schnellboot“, das der Tanker SAP zu Wasser lassen wollte“ – so CFO Luca Mucic. 

Für SAP-Kunden unerwartete und teure Änderungen gibt es beim ohnehin unbeliebten Thema der indirekten Nutzung: SAP Fioneer Produkte werden von SAP selbst als Fremdprodukte betrachtet. Die Lizenzierung kann nicht über Digital Access erfolgen, für Zugriffe von Fioneer-Anwendern müssen zusätzlich SAP Named User Lizenzen vorhanden sein, obwohl im SAP S/4HANA Lizenzmodell die LOB- und Industrielösungen eigentlich auf wertorientierten Metriken basieren und keine Userlizenzierung benötigen!

Die Interpretation der Metriken durch SAP Fioneer entspricht bisweilen nicht mehr der bisherigen Auslegung durch SAP, zu Ungunsten der Kunden – etwa hinsichtlich der Beurteilung, wann ein Konto aktiv ist. Mit harten und repressiven Auftritten wurden deshalb Kunden von SAP Fioneer Vertrieblern zu teuren Nachlizenzierungen bewegt.
Petitesse: Die Vermessung selbst wird immer noch von SAP durchgeführt.

SAP Fioneer-Softwarewartungsverträge entsprechen nicht dem von SAP Gewohnten: Standardverträge enthalten keinerlei Servicelevel. Der kann mit 5 % Mehrkosten zugebucht werden. Für Support nur durch EU-Mitarbeiter –  für viele Kunden aufgrund der DSGVO essentiell – fallen zusätzliche Kosten an.

SAP Fioneer Kunden, die die Lizenzumstellung auf SAP S/4 HANA noch nicht vereinbart haben, können diese nicht mehr über SAP regeln. Fälle mit hohen Mehrkosten wurden bekannt – vor allem, wenn die Vertriebsmitarbeiter von SAP und Fioneer nicht am gleichen Strang ziehen. Viele SAP Fioneer-Kunden haben ihren Accountmanager noch gar nicht kennengelernt.

Das Geschäft der SAP Fioneer entwickelte sich „deutlich über den Erwartungen der Investoren“, sagte Fioneer-Chef Dirk Kruse letztes Jahr im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dass die Profite auch durch die geschilderten Praktiken entstehen, erwähnte er nicht.

Von vielen Kunden wird dies als höchst unfair empfundenen, auch, weil sie sich kaum dagegen wehren können. 
Ist das die „Mutige Kreativität“ aus dem Firmenslogan? Hasso Plattner hat die 37 % Beteiligung seiner Stiftung mittlerweile verkauft, da die öffentliche Kritik wegen möglicher Interessenskonflikte zu groß wurde.
Vielleicht will er, der große Mäzen, Philanthrop und Stifter, auch nicht mehr mit derartigen Praktiken in Verbindung gebracht werden.

Was können SAP Fioneer Kunden – neben Wachsamkeit und aktiver Beschäftigung mit diesen Themen – tun?

Chronologie:

  • 13.04.2021: SAP schließt die strategische Partnerschaft für Finanzdienstleister mit der Dediq GmbH.
  • 01.09.2021: SAP Fioneer nimmt den Betrieb auf.
  • 01.01.2022: Markteintritt von SAP Fioneer: „Bestehende Verträge werden nicht angefasst. Bestandskunden können langsam in die Fioneer-Welt hineinwachsen“.
  • 24.1.2022: SAP nimmt die Lizenzkomponenten für Banken und Versicherungen von der Preisliste. Damit können Bestandskunden keine S/4HANA Conversion über SAP mehr durchführen. Gemischte Vertragsstrukturen sind nicht erlaubt. Nachkäufe sind nur über SAP Fioneer möglich.
  • 28.10.2022: Fioneer stellt die ersten eigenen S/4-Lizenzkomponenten vor. Teilweise haben sich Metriken (zu Ungunsten der Kunden) geändert. Preise werden nicht veröffentlicht. Banken und Versicherungen, die der Finanzaufsicht unterliegen, können die Financial Services Industry Solution Produkte nur noch bei SAP Fioneer erwerben.

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